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Marc Twains "schreckliche deutsche Sprache"

oder die Lust am Polemisieren

 

Werner Engelmann, 11.11.2021

 

Wer sich mit dem Mittel der Methodenkritik mit grundlegenden Irrtümern von Gendern-Propagandisten, so auch deren Mentorin, Luise Pusch und deren Hauptwerk, "Das Deutsche als Männersprache", auseinandersetzten will,  der tut gut daran, seinen Blick auf die deutsche Sprache zuvor an dem in Deutschland überaus beliebten Pamphlet des amerikanischen Schriftstellers Marc Twain 1 zu schärfen. Denn die Analogien bezüglich der methodischen Herangehensweise sind frappierend - um nicht zu sagen: erschreckend.

 

Der Hass und die Verachtung, mit denen sich Marc Twain über sein Sujet, die deutsche Sprache, auslässt, schimmern unentwegt durch die teilweise durchaus amüsante satirische Überspitzung hindurch.

Wichtiger aber erscheint ein anderer grundlegender methodischer Irrtum:

die Personifikation der deutschen Sprache. Offenbar braucht er einen personifizierten Gegner als Feindbild, an dem er sich auslassen kann. um eigene Erfahrungen und Probleme zu bewältigen.

 

So etwa zitiert er mit diebischem Vergnügen einen fast seitenlangen Schachtelsatz aus einem wohl grässlichen Roman, in dem der Autor seine "Fähigkeit" zu möglichst komplizierter Ausdrucksweise demonstriert. 2 Jeder auch nur einigermaßen stilbewusste Mensch würde darin dümmliche Arroganz eines mittelmäßigen Schreiberlings erkennen. Marc Twain dagegen dient dies als "Beweis" für das "Schreckliche" seines Lieblingsfeindes, der deutschen Sprache.

 

Es fällt ihm nicht ein, nach dem Sinn einer Grundstruktur des deutschen Satzes zu fragen, der - ähnlich wie im Niederländischen oder in nordischen Sprachen -  durch eine Verbklammer zusammengehalten wird.

So etwa kann in einem Satz wie "Heute ist für dich ein Brief angekommen" an Stelle des "heute" jeder andere nominale Satzteil, also "für dich" oder "ein Brief" an die betonte Spitzenstellung gesetzt werden. Eine sehr sinnvolle Grundstruktur des deutschen Satzbaus, der auf sehr einfache Weise eine außerordentliche Flexibilität in Ausdruck und Betonung ermöglicht, die es so in anderen Sprachen nicht gibt. Dies ist Ausdruck der "inneren Form des Deutschen" 3, wie der große Schweizer Sprachwissenschaftler und Germanist Hans Glinz in seinem gleichnamigen Werk betont.

Solche inneren Gesetzmäßigkeiten der Sprache zu erforschen und ihren Sinn zu verstehen, das ist freilich nicht die Absicht von Autoren oder von Lesern, die sich an bloßer Polemik ergötzen.

 

Bekannter ist das Beispiel, mit dem Marc Twain die vermeintliche Verachtung der Deutschen gegenüber jungen Frauen - ob "Fräulein" oder "Mädchen" - zu "belegen" sucht:

"Im Deutschen hat Fräulein kein Geschlecht, während eine weiße Rübe eines hat. Man denke nur, auf welche übertriebene Verehrung der Rübe das deutet und auf welche dickfellige Respektlosigkeit dem Fräulein gegenüber. (...) Es ist wahr, daß im Deutschen durch irgendein Versehen des Erfinders der Sprache eine Frau weiblich ist, aber ein Weib nicht - was bedauerlich ist. Ein Weib hat hier kein Geschlecht, sie ist neutrum." 4

 

Es bedarf keiner besonderen linguistischen Kenntnisse, um zu erkennen, dass Marc Twain hier einem grundlegenden Irrtum aufsitzt: der Verwechslung von natürlichem Geschlecht (Sexus) und grammatischem "Geschlecht" (Genus). Einem Irrtum freilich, mit dem er in den Reihen von Gendern-Propagandisten zahllose Nachfolger findet.

So ist das "neutrale" Genus in "Fräulein" nicht bedingt durch die Bedeutung des Wortes, sondern durch das Diminutiv der Nachsilbe "-lein", nicht anders als bei "das Männlein" oder "das Männchen".

 

Auch wenn bei "das Weib" etymologisch nicht ausgeschlossen ist, dass - bedingt durch die feudale Gesellschaft - in das Wort ursprünglich eine Form von Besitzanspruch und eine gewisse Missachtung eingeflossen ist, so ist dies für die moderne strukturale Linguistik ebenso bedeutungslos wie nach der Psycholinguistik für die heutigen Sprecher.

Das sprachliche Zeichen ist nach de Saussure, dem Begründer der strukturalen Linguistik, im Prinzip "arbiträr". Und das heißt, dass die sprachliche Form keinen Schluss auf die Bedeutung zulässt, und dies gilt weitgehend auch für die Zuordnung des grammatischen Genus.

 

Zwei Beispiele, wie Ignoranz sich selbst entlarvt, wenn ein extrem subjektiver Zugriff auf sprachliche Phänomene und Lust an Polemik ein seriöses Erkenntnisinteresse, also das Verstehen von inneren Zusammenhängen überlagern oder gar verdrängen.

Ein Befund, der auch als Maßstab an die Untersuchung der Gendern-Praxis wie an deren theoretischen Fundierung in "Das Deutsche als Männersprache" von Luise Pusch anzulegen ist.

 

Ein letzter Aspekt wäre zu bedenken:

Man stelle sich vor, irgendein ausländischer Schriftsteller hätte sich in ähnlicher Weise über die französische Sprache ausgelassen. Ein Aufschrei der Empörung ginge durch Frankreich.

Für jeden Franzosen und jede Französin ist selbstverständlich, dass Französisch ein Synonym für "Klarheit" ist.  Die "Pflege" der französischen Sprache ist nicht nur der "Académie Française" zur Überwachung überantwortet, sie wird auch über Rundfunk und Fernsehen, z.B. in Diktaten, geübt, an denen sich Millionen beteiligen.

 

In Deutschland dagegen findet ein Pamphlet wie das von Marc Twain gegen die eigene Sprache nicht nur Beachtung, sondern auch größten Beifall. Und dasselbe gilt wohl (wie zu zeigen sein wird) auch für Luise Pusch.

Ein Phänomen, das nicht nur den Verdacht erregt, dass hierbei eine gehörige Portion Masochismus mitschwingt. Das auch die Frage nach einem möglicherweise gebrochenen Verhältnis in Deutschland zur eigenen Muttersprache aufwirft.

 

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1  Marc Twain, The Awful German Language - Die schreckliche deutsche Sprache, Berlin (Aufbau-Verlag) 1963, 13. Auflage 2020

2  Ebd., S.21

3  Hans Glinz, Die innere Form des Deutschen, Bern 11952

4  Marc Twain, a.a.O., S.31,35               

 

 

 

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