Werner Engelmann
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5) Gendern, „Sichtbarkeit“ und Moral  

 

 

5.  Gendern, „Sichtbarkeit“ und Moral 

 

 

 

      Die inneren Widersprüche der Gendern-Bewegung lassen sich im Weiteren an zwei Merkmalen in Selbstverständnis und Praxis ausmachen:

      a) an der utopisch-teleologischen Ausrichtung mit selbstgerecht-elitärem Anspruch, „Moral“ per se zu verkörpern, und, daraus abgeleitet, das vermeintliche „moralische Recht“, eigenes Verständnis von „gendersensiblem Sprechen“ anderen aufzudrängen,

      b) an der flächendeckenden Überlagerung von Informationen mit immer gleichen, sexistisch geprägten Subtexten, welche die eigentlichen Inhalte zurückdrängen, pauschalisieren und polarisierend wirken.

 

Zu a) Teleologie und „Moral“:

 

Die Gendern-Promotorin Luise Pusch verspricht in ihrem Traktat „Das Deutsche als Männersprache“ nichts weniger als das Paradies auf Erden. Dies erinnert freilich kaum an den historisch bedeutsamen utopischen Entwurf „Utopia“ eines Thomas Morus, umso mehr aber an die „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley.

Denn bevor sich das „Paradies“ mittels ihrer „feministischen Kongruenzregel“ 16 etablieren werde, hat die Sprachgemeinschaft, die tumbe Männerwelt voran, für mindestens 100 Jahre das radikalfeministische sprachliche Purgatorium über sich ergehen zu lassen: „Per aspera ad astra“ (Durch Mühsal zu den Sternen).

 

    Elemente solchen Größenwahns sind auch in der Gendern-Praxis zu erkennen, vor allem im radikalen Umbau deutscher Grammatik. Dies ist Gegenstand der Analyse im 10. Abschnitt.

An dieser Stelle sei auf den selbstgerecht-elitären Anspruch eingegangen, die „Moral“ per se zu verkörpern - besonders penetrant beim Gendern-Promotor Anatol Stefanowitsch.  17

 

Dies wird nicht erst deutlich am aufgeblähten Moralanspruch seiner „Streitschrift“ "Eine Frage der Moral: Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen". 18

Es steckt bereits in seinem Postulat eines vermeintlichen „Rechts auf Sichtbarkeit“.  Auf dieser Fiktion baut die Rechtfertigungs-Ideologie der Gendern-Bewegung auf.

 

Hier nimmt Anatol Stefanowitsch für sich in Anspruch, die LGBTQ-Community durch permanente „Sichtbarkeit“ in jedem nur denkbaren Kontext zu „beglücken“ - ungefragt und, nach historischen Erfahrungen in erschreckend unsensibler Weise, mit einem „Sternchen“.

In Wahrheit wird diese Minderheit von Stefanowitsch und der Gendern-Bewegung in perfider Weise instrumentalisiert. Gesetzgeberische Selbstermächtigung zu einem „guten Zweck“ soll ein argumentatives Vakuum übertünchen. Und zugleich wird damit das Grundrecht dieser Menschen auf „informationelle Selbstbestimmung“ verletzt. 19

 

 

Ein bekennender Angehöriger dieser Community macht dies sehr deutlich. Zu der ihm im Namen einer angeblich höheren „Moral“ aufgezwungenen „Sichtbarkeit“ fällt ihm nur noch bitterer Sarkasmus ein: „‘Sichtbar‘ waren auch die Juden im dritten Reich."  20       

 

Ein weiteres Beispiel für die von Gendern-Ideologen beförderte Doppelmoral stellt der Versuch dar, Kritiker durch Cancel Culture mundtot zu machen: Man diskriminiert selbst, während man Kritikern „Frauenfeindlichkeit“ oder „Diskriminierung“ von Minderheiten unterstellt. Vorwürfe, die jeden treffen können, der auf die Widersprüche hinzuweisen wagt. 21

 

Zu b) Sexistische Subtexte und Bevormundung:

 

Das Konzept aufgezwungener „Sichtbarkeit“ mittels sexualisierter Sprache fördert eine Entwicklung, die demokratischen Werten und Verhaltensweisen zentral widerspricht: Während man sich selbst ermächtigt, der Sprachgemeinschaft sein Konzept der Menschheitsbeglückung aufzuoktroyieren, entzieht man sich demokratischer Diskussion und Kontrolle.       (!)

 

Wie das von Nele Pollatschek beklagte „aufgezwungene sprachliche Dauerfrausein" 22 wird auch das postulierte „Recht auf Sichtbarkeit“ zum Dauerzwang, sich öffentlich zu positionieren, und zwar in polarisierender Weise: Wer immer und wo immer seinen Mund aufmacht, der hat zugleich ein politisches Bekenntnis abzulegen: pro oder kontra Gendern.

Der Spaltpilz wird so nicht nur ins Innere der Gesellschaft transportiert, er nistet sich via Sprache im Unterbewussten eines jeden Menschen der Sprachgemeinschaft ein.

 

Auf den ersten Blick imitiert die Gendern-Bewegung durch Dauerpräsenz von „Weiblichkeit“ lediglich simple Werbestrategien von vorgestern.

Solche Werbung schaltet rationale Überlegung möglichst aus. Um den Kaufakt zu bewirken,  zielt sie auf emotionale Bindung des potentiellen Kunden zum Produkt. Dabei wird übersehen, dass so auf Dauer auch die Wahrnehmung abstumpft, was wiederum die Wirkung reduziert.

 

Die Gendern-Bewegung aber „verkauft“ Gesinnung. Ihr Ziel sei „Gendergerechtigkeit“. Das ist eine moralische Kategorie, und die setzt Überlegung und bewusste Entscheidung voraus.

Eine moralische Einstellung mit Dauerberieselung erzwingen zu wollen, erscheint reichlich hirnlos. Der gegenteilige Effekt tritt ein: Es wird Misstrauen und gezielte Abwehr bewirkt.

 

Doch die Gendern-Praxis geht darüber deutlich hinaus: Man bemächtigt sich der Sprache der gesamten Sprachgemeinschaft - damit also eines wesentlichen Teils des Selbst der Menschen. Das ist ein Eingriff in die Persönlichkeit mit totalitären Zügen. Denn niemand kann darauf verzichten zu kommunizieren. Dies wäre die Aufgabe seiner selbst als gesellschaftliches Wesen.  

 

Mit suggestivem sexistischem Dauerappell wird nicht nur keine „moralische“ Haltung erzeugt. Es wird ein Dauerkonflikt im Unterbewusstsein der Menschen verankert.

 

 

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16  „Die Feministische Kongruenzregel etabliert eine neue Harmonie. Mit der sanften Gewalt des Wassers unterspült sie die Fundamente der Sprache des Patriarchats und damit des Patriarchats selbst. Eine Welt, die mit beiden Geschlechtern kongruiert (harmoniert), wird eine humane Welt sein “ (S. 107, Hervorhebung L.P.)

 

 

17  Vgl. dazu die unter Fußnote 1 genannte Analyse „Gendern, ‚politisch korrekte Sprache‘ und Moral - Zum Gendern-Promotor Anatol Stefanowitsch als Moralisten“, (19.01.2022).

 

 

18   Vgl. dazu an gleicher Stelle die Analyse „Identitäre Ideologie und ‚Sichtbarkeit‘ in der Gendern-Bewegung“, Kapitel I,3: „Permanente öffentliche ‚Sichtbarkeit‘ als höherrangiges ‚Recht‘?“, S. 13 ff.

 

 

19    Unverblümter als in folgender Äußerung von Stefanowitsch kann man die gezielte Instrumentalisierung von Minderheiten zu eigenen politischen Zwecken nicht eingestehen: "Eine dritte Gruppe war sprachlich komplett unsichtbar und ist erst durch das Sternchen in 'Vertreter*in' sichtbar geworden: nicht-binäre Menschen. (...) Für diese Gruppe ist Sichtbarkeit die Voraussetzung, um überhaupt am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Dass sie dabei ihre geschlechtliche Identität auch dort zum Thema machen, wo sie keine Rolle spielen sollte, ist für die*den Einzelne*n sicher oft unangenehm, es ist aber Teil genau der gesellschaftlichen Wahrnehmung, die erreicht werden soll." (https://www.tagesspiegel.de/wissen/warum-sprachwandel-notwendig-ist-der-professordie-professor-das-professor/26155414..html), 03.09.2020.

 

 

20  https://www.fr.de/meinung/kolumnen/bundestagswahl-2021-markus-soeder-csu-cdu-uniont-gendernbayern-afd-meinung-kolumne-90997986.html, 23.09.2021

 

 

21   Ein Beispiel, wie „Cancel Culture“ dazu benutzt werden kann, um innerparteiliche Spaltung zu befördern, zeigt das Kesseltreiben gegen Wolfgang Thierse, dem ehemaligen Bundestagspräsidenten der SPD, ausgelöst durch dessen Bedenken gegen Auswüchse der „Identitätspolitik“, die auch von Gendern-Fans betrieben wird. Dazu sei auf die oben (Fußnote 1) aufgeführte Analyse auf der Website von Werner Engelmann verwiesen, Stichwort „FR-Kommentare“: Identitäre Ideologie und ‚Sichtbarkeit‘ in der Gendern-Bewegung“, Teil I,1, S.4.

 

 

22  Siehe Fußnote 8 und 25.

 

 

 

 

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