Werner Engelmann
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Identitäre Ideologie
und "Sichtbarkeit" in der Gendern-Bewegung

 

 

IV. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen

 


Die folgenden Thesen fassen die wesentlichen Ergebnisse der vorliegenden Analyse zusammen. In
Klammern wird auf die entsprechenden Kapitel in der Analyse verwiesen.
Die Thesen stellen eine Einschätzung charakteristischer Merkmale aus ideologiekritischer,
sozialgeschichtlicher und soziologischer Sicht
dar.


Die Frage nach den Ursachen einer solchen Entwicklung übersteigt den Rahmen dieser Analyse.
Dieser Frage wäre in einer gesonderten, weit umfassenderen historischen Analyse nachzugehen.
Thesen zu Kernbegriffen und Tendenzen der Gender-Bewegung und "identitärer" Ideologie:

 


1)
Die Gendern-Bewegung rezipiert kritiklos Behauptungen der "feministischen Liguistik" von Luise
Pusch
über "die deutsche Herrensprache"
aus den frühen 80er Jahren, saugt sie als quasi neue
"Offenbarung" auf. Jeglicher selbstkritische Ansatz fehlt.
Dies erscheint als geistiger Rückfall in realitätsabgehobene verbale Radikalität der 70er Jahre des
letzten Jahrhunderts, welche Wortführer der Studentenbewegung längst überwunden haben.
(I, 1)


2)
Gendern erlaubt, sich öffentlich sichtbar der Gendern-Bewegung zugehörig zu fühlen, die,
unausgewiesen, sich selbst als gesellschaftliche Avantgarde empfindet und gesellschaftlichen
Führungsanspruch für sich reklamiert.
Diese rekrutiert ihr Selbstverständnis vorwiegend aus radikal-"feministischem" Hass auf
Männlichkeit, grenzt sich zugleich selbstgerecht von "Ressentiments" der "anderen" ab.
(I, 1)


3)
Die Verknüpfung mit "identitärer" Ideologie ist der Gendern-Bewegung immanent.
Beide reduzieren die Fähigkeit zu Empathie auf Angehörige bestimmter Gruppen (Minderheiten).
In dem Irrglauben, Aussagen über konkretes Handeln von Individuen deduktiv aus einer a priori
vorgenommenen Begriffsbestimmung ableiten zu können, zeigen sich dabei Ansätze eines
fundamentalistisch verfestigten ideologischen Denkens.
Dies gefährdet auch eine kulturelle Tradition im Sinne eines demokratisch geprägten Humanismus:
"Ohne Aneignung von Fremdem gibt es keine Kultur." (Wolfgang Thierse)
(I, 2)


4)
Selektive Identifikation mit Minderheiten hat für die Gendern-Bewegung rechtfertigende und
zugleich verschleiernde Funktion: Drang nach öffentlicher "Sichtbarkeit" der eigenen "moralischen"
Haltung rechtfertigt "geistigen" Führungsanspruch, zugleich wird damit über mangelnde
demokratische Legitimation hinweggetäuscht. (I, 3)


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5)
Das vom Antreiber der Gendern-Bewegung, Anatol Stefanowitsch, aufgestellte Dogma vom "Recht
auf Sichtbarkeit"
führt zu sinnentleerter öffentlicher Dauerpräsenz von Geschlechtlichkeit. Dies
offenbart den elementaren Widerspruch zwischen Anspruch und Praxis:
"Gendern ist eine sexistische Praxis, deren Ziel es ist, Sexismus zu bekämpfen." (Nele Pollatschek)
(I, 3)


6)
Die juristische Anerkennung des "3. Geschlechts" durch das BVerfG pervertiert bei Anatol
Stefanowitsch zum Zwang zur "Sichtbarkeit". Minderheiten wie die LGBTQ- Community werden
zwangsmäßig markiert und sind so öffentlich dauerpräsent.
Ihr Grundrecht auf freie Entscheidung, ob sie öffentlich "sichtbar" werden wollen, wird missachtet.
Statt deren Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu fördern, werden diese Gruppen durch die Gendern-
Bewegung instrumentalisiert und bevormundet. Die Tendenz, sie zu diskriminieren und zu
Sündenböcken für Fehlentwicklungen zu machen, so auch für Fehler der Gendern-Bewegung, wird
eher noch verstärkt. (I, 3)


7)
Öffentliche "Sichtbarkeit" ist nicht primär eine Frage der Sprache. Sie ist eine Frage der
Machtverhältnisse und der gesellschaftlichen Bedingungen sowie deren Interpretation.
(II, 1)


8)
Die "feministische Linguistik" sowie die Gendern-Bewegung reduzieren quasi die gesamte Geschichte
auf die Geschlechterfrage
.
Sie verlieren so entscheidende soziale Fragen aus dem Blick, die auch für das Verständnis von
Sprache und ihrer Veränderung von besonderer Bedeutung sind:
Denn das Movens für gesellschaftliche und, darauf folgend, sprachliche Veränderungen ist in
ökonomischen und sozialen Veränderungen zu suchen. (II, 2)


9)
Bei der "feministischen Linguistik" von Luise Pusch weicht das Prinzip der Deskription einem
normativen Verständnis von Linguistik. Und sie ernennt sich selbst zur normativen Instanz, die über
Sprachgebrauch zu urteilen habe.
Darüber hinaus widerspricht ihr Verfahren grundlegenden linguistischen Prinzipien.
Sie reißt Sätze aus ihrem konkreten Kontext, um verallgemeinernde Aussagen über das
Sprachsystem zu "belegen", passt also selektiv ihr Sprachverständnis ihren Vorurteilen an.
Und sie ignoriert so die Bedeutung des jeweiligen Sprechers und dessen sozialen Milieus für die
Interpretation.
(Vgl. Analyse: Die "feministische Linguistik der Luise Pusch") (II,3)


10)
Die Praxis der Gendern-Bewegung ist von einem zweifachen Widerspruch gekennzeichnet:
die deduktive Ableitung der Praxis aus einer Theorie einerseits, die Verkehrung des Verhältnisses von
Sprache und Wirklichkeit
andererseits, und damit der Illusion, über Veränderung der Sprache die
Wirklichkeit grundlegend neu gestalten zu können.
Beides resultiert aus kritikloser Übernahme von Luise Puschs Pauschalkritik an "der deutschen
Herrensprache"
, die sie für Verweigerung der "Identität 'menschliches Wesen'" für Frauen
verantwortlich macht. (I, 2 - II, 3)


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11)
Der Charakter "der Sprache" per se kann generalisierend und geschichtsübergreifend gar nicht
definiert werden.

Jede Generation eignet sich, in Auseinandersetzung mit der jeweiligen Gesellschaft und Umwelt die
Sprache jeweils neu an, schafft sie sich in gewissem Sinne neu.
Die so bedingte natürliche Sprachveränderung hat mit willkürlichem Eingriff in das Grammatik-
System im Stil der Gendern-Bewegung nichts zu tun
, die es so in der deutschen Sprachgeschichte
noch nie gab.
Der geradezu gebetsmühlenhaft wiederholte Hinweis auf ständige Sprachveränderung als
Legitimation für Gendern geht an der Sache vorbei.
(II, 3)


12)
Die Vielfalt einer natürlichen Sprache ist bestimmt durch Diversität und Vielfalt einer
Sprachgemeinschaft.

Sprache als wertvollstes Instrument der Kommunikation bietet allen ihr zugehörigen Gruppen ein
gemeinsames "Zuhause", indem sie den verschiedenen Diversitäten Rechnung trägt,
unterschiedliche Ausprägungen in einer gemeinsamen Kultursprache zulässt.
(II, 3)


13)
Das Geschlechtsmerkmal ist nur eines von vielen Konstituenten, die "Identität" bestimmt.
Daher verbietet es sich, die Möglichkeiten, die Sprache bietet, zu einer Dauerpräsenz für nur eine
von vielen Identitätsmerkmalen auszuweiten, wie es die Gendern-Bewegung versucht.
(II, 3)


14)
In dem Maße, in dem die Gendern-Bewegung das Bild der Frau nur als Gegenbild zum Mann und in
Abgrenzung zu ihm begreifen kann, beweist sie, wie sehr sie noch biologistischen
Geschlechterklischees und Frauenbildern des 19. Jahrhunderts verhaftet
ist.
Dies zeigt sich auch in permanenter Betonung dualer Geschlechtlichkeit und radikaler Sexualisierung
der Sprache.
Sie nimmt das damals bestimmende starre dualistische System vermeintlich spezifischer
"Charaktereigenschaften" von Mann und Frau auf, die als "naturgegeben" angesehen wurden, und
verbreitet es.
(III, 1)


15)
Die scharfe Kritik der französischen Philosophin und Feministin Élisabeth Badinter am
"Differenzdenken" des US-amerikanischen "Feminismus" und am Einfluss des angelsächsischen
"Radikalismus" trifft in gleichem Maße dessen deutschen Abklatsch in der Gendern-Bewegung.
Deren Tendenz zu "Viktimisierung" der Frau und zu Rückfall in Geschlechterkampf-Attitüden
verfestigt eher Reste patriarchalen Denkens als dass sie diese zu überwinden helfen.
Mit den Worten von Nele Pollatschek: "Der Weg zu Gleichheit ist Gleichheit."
(III, 1)


16)
"Sichtbarkeit" des eigenen Geschlechts, die "Identität" mit sich selbst vortäuscht, wird notwendig,
wo diese nicht gegeben ist. Die Fiktion der Zugehörigkeit zu einer bedeutenden "Bewegung"
kompensiert - scheinbar - eigene Gefühle der Minderwertigkeit.
Wirklich selbstbewusste Frauen gieren nicht nach permanenter öffentlicher Selbstbestätigung. Sie
haben diese gar nicht nötig.
(III,1)


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17)
Im Streben der Gendern-Bewegung nach permanenter öffentlicher "Sichtbarkeit" zeigen sich
Analogien zu feudalen Formen der Selbstdarstellung und "Repräsentation".
Der "sichtbare" sprachliche Nachweis der Zugehörigkeit zu einer "fortschrittlichen geistigen Elite"
ersetzt feudalen Führungsanspruch, der aus Zugehörigkeit zu einem elitären Stand abgeleitet wurde.
Dem dient auch elitäre Abgrenzung von allen, die sich dieser nicht zugehörig fühlen oder erachtet
werden. Diese fühlen sich nicht nur bevormundet, sondern auch - zu Recht - ihrer eigenen Sprache
und damit eines wesentlichen Teils ihres Selbst beraubt.
(III, 2)

 

 

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