Werner Engelmann
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Stellungnahme Werner Engelmann

zur Open-Petition in Hessen:

 

 

 

IIch untersütze diese Petition bedingt.

Ich habe Verständnis dafür, dass im Rahmen einer Petition nur eine verkürzende Begründung möglich ist, die bisweilen schlagwortartig klingt.

Dennoch ist auf die Notwendigkeit differenzierterer Aussagen und vor allem klare Absicherung gegen vergiftetes "Lob" von falscher Seite notwendig.

 

Aus diesem Grunde habe ich eine Stellungnahme verfasst, adressiert an die presserechtlich Verantwortliche dieser Petition, Frau Sabine Mertens.

 

Im Folgenden veröffentliche ich dieses Schreiben.

 

 

Werner Engelmann, 12.12.2022

 

 

 

 

W.E. Gendern, Petition, Stellungnahme, 11-12-2022

 

 

 

Schreiben an die Initiatorin der Petition

 

 

 

An den VDS

info@vds-ev.de

Frau Sabine Mertens

 

                                                                                                                                                                                          11.12.2022

 

 

Sehr geehrte Frau Mertens,

 

ich habe Ihre Petition auf www.openpetition in der Sache Gendern unterzeichnet und auf meiner Website veröffentlicht.

 

Ich möchte Sie auf Veröffentlichungen von Analysen meinerseits auf dieser Website aufmerksam machen, die zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kommen. Zuletzt der Essay „Gendern in Kriegszeiten oder Ende der Unvernunft?“ (herunterzuladen von der Website:

Werner Engelmann, FR-Kommentare oder: fluechtlingstheater-kleiner-prinz.de).

Dazu erlaube ich mir einige ergänzende Hinweise und Anmerkungen zu Ihrer Petition.

 

 

Zunächst, da Sie mich nicht kennen und dies auch ein die eigene Person betreffendes Thema ist, einige Hinweise zu meiner Person.

 

Geboren 1944 im heutigen Tschechien, Flüchtlingskind und Halbwaise aus kinderreicher Familie, bin ich unter Bedingungen weiblicher Dominanz aufgewachsen. Das Problem weiblicher Emanzipation unter patriarchalen Verhältnissen hat mich schon früh beschäftigt. Literarisch verarbeitet habe ich dies in der Romantrilogie „Maria. Bilder und Märchen für Erwachsene aus der Mitte des 20. Jahrhunderts“ (2005-2009).

Mein Studium der Germanistik und Romanistik in Tübingen, Paris (1967/68), Köln und an der FU Berlin hatte Linguistik als Schwerpunkt, hier besonders das Problem des Spracherwerbs. Als Lehrer für Deutsch und Französisch war ich zunächst an 3 Berliner Gymnasien und einer französischen Schule in Berlin tätig, dann an der Europäischen Schule in Luxemburg, einer Luxemburger Schule, am Centre de langues (Kurse für Asylbewerber) und an den Europäischen Institutionen in Luxemburg (Teilnehmer aus allen EU-Ländern).

 

 

Meine kritischen Analysen zu den Promotoren der Gendern-Bewegung, Luise Pusch („Die feministische Linguistik der Luise Pusch“ und Anatol Stefanowitsch („Identitäre Ideologie und "Sichtbarkeit" in der Gendern-Bewegung“ und „Gendern, "politisch korrekte Sprache" und Moral“) beschäftigen sich mit deren Traktaten aus linguistischer, historischer und politischer Sicht. Sie kommen, bezüglich des „wissenschaftlichen“ Verfahrens der Autoren zu verheerenden Ergebnissen. Dieses ist bestimmt durch willkürliche Setzungen, Extrapolationen, Verallgemeinerungen und Vermengungen unterschiedlichster Problembereiche, ist gekoppelt mit einem anmaßenden „Moral“-Anspruch und spricht wissenschaftlicher Seriosität schlicht Hohn.

 

Dazu zwei Beispiele, deren Tragweite in der öffentlichen Diskussion noch gar nicht ausreichend erkannt zu sein scheint.

 

(1) Zunächst Luise Pusch zur „wissenschaftlichen“ Methode der „feministischen Linguistik“:

„Es bedurfte wohl radikalfeministischer Verve, Unbekümmertheit, Subjektivität und entschlossener Parteilichkeit, um zu dieser Auffassung über Sprache zu kommen.“

Angesichts der Erfahrungen mit „sozialistischer Parteilichkeit“ stockt einem seriösen Wissenschaftler über solcher Art „wissenschaftlichem“ Verständnis schon der Atem.

 

(2) Und Anatol Stefanowitsch beansprucht mit seinem, aus den Fingern gesogenen „Recht auf Sichtbarkeit“ quasi normative Gesetzeskraft. Er spielt sich dabei als Beschützer binärer Menschen auf, die er in Wahrheit in perfider Weise zu seinen Zwecken instrumentalisiert.

 

Dies wird in folgender Begründung deutlich:

Für diese Gruppe ist Sichtbarkeit die Voraussetzung, um überhaupt am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Dass sie dabei ihre geschlechtliche Identität auch dort zum Thema machen, wo sie keine Rolle spielen sollte, ist für die*den Einzelne*n sicher oft unangenehm, es ist aber Teil genau der gesellschaftlichen Wahrnehmung, die erreicht werden soll." (https://www.tagesspiegel.de/wissen/warum-sprachwandel-notwendig-ist-der-professordie-professor-das-professor/26155414.html), 03.09.2020

 

Diese Perfidie wird durch einen bekennenden Angehörigen der LGBTQ-Community in mehreren Beiträgen entlarvt, u.a. mit bitterem Sarkasmus: „‘Sichtbar‘ waren auch die Juden im dritten Reich."

(https://www.fr.de/meinung/kolumnen/bundestagswahl-2021-markus-soeder-csu-cdu-uniont-gendernbayern-afd-meinung-kolumne-90997986.html, 23.09.2021)

 

Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der hierbei angewandten Methode findet sich in meiner oben genannten Analyse Identitäre Ideologie und "Sichtbarkeit", Kap. I,3, S. 13-16).

 

 

Mein letzter Essay „Gendern in Kriegszeiten oder Ende der Unvernunft?“ nähert sich der Problematik, bezugnehmend auf die aktuelle Krisensituation, aus historischer, linguistischer und politischer Perspektive, indem er die bereits erkennbaren Verirrungen der Gendern-Ideologie in ihrer Konsequenz aufzeigt, Destruktion eines funktionierenden grammatischen Systems einerseits und Spaltung der Sprachgemeinschaft andererseits. Und er stellt dem die Positionen eines echten, universal orientierten Feminismus nach Élisabeth Badinter gegenüber.

 

 

 

Bezugnehmend auf die in Ihrer Petition dargelegten Begründung verweise ich besonders auf die innenpolitische Analyse in Abschnitt 8 (S.22-25).

Diese geht von der vielfachen Beobachtung aus, dass die – in Krisensituation besonders brisante – Polarisierung der Sprachgemeinschaft von zwei Seiten betrieben wird, die sich, in tiefer Abneigung verbunden, gegenseitig hochschaukeln.

Die Gendern-Fraktion betreibt „identitäre“ Gesellschaftspolitik im Sinne ihres elitären Selbstverständnisses als vermeintlicher „Avantgarde“, die andere, konservative bis rechtsextreme Seite, benutzt deren Naivität, um die Gendern-Diskussion für Ziele eines allgemeinen gesellschaftlichen Roll-back mit sehr wohl auch anti-demokratischen Zielsetzungen zu instrumentalisieren.

Gemeinsam ist diesen Positionen, die beide auf Konfrontation bis hin zu Kulturkampf-Attitüden (nach US-amerikanischem Muster) setzen, dass beide an keiner rationalen Diskussion interessiert sind, die einen gesellschaftlichen Konsens im Blick hat.

 

Faktisch heißt das, dass, als Folge der „identitären“ Gendern-Politik, die antagonistisches Denken schon verinnerlicht hat, jedwede öffentliche Äußerung auf die eine oder andere Seite der Polarisierung geschoben wird. Sich sachlich, kritisch und selbstkritisch zu gesellschaftlichen Fragen Stellung zu äußern, wird, im Interesse beider Seiten, faktisch unmöglich gemacht.

 

Für eine sachlich ausgewiesene, kritische Position zur Gendern-Frage heißt das, dass der Versuch der Diffamierung von einer Seite und vergiftetes Lob von der anderen gleichermaßen fatal sind. Besonders AfD-nahe Kreise überbieten sich in Versuchen, kritische Verlautbarungen, etwa vom VDS, im Sinne ganz anders gelagerter gesellschaftspolitischer Positionen zu instrumentalisieren.

 

 

 

 

Damit zu meiner Kritik zur Begründung der Petition:

 

In einer solchen Situation ist Schweigen keine Lösung. Mir fehlt, bei aller zutreffenden inhaltlichen Kritik, die glasklare Positionierung und Abgrenzung zu beiden Positionen, die mit einem demokratischen Diskurs nicht zu vereinbaren sind. Denn wir leben nicht im luftleeren Raum, und der Herausforderung durch polarisierende Kräfte von zwei Seiten muss begegnet werden, ob man will oder nicht.

 

Ich bitte daher um eine entsprechende Ergänzung der Begründung der Petition, die jeglichem Versuch der Instrumentalisierung, für andere Zwecke als den explizit genannten, eine entschiedene Absage erteilt.

 

 

Des Weiteren bitte ich den Bezug auf „grundgesetzwidriges“ Vorgehen und auf Verletzung der „Menschenwürde“ Folgendes zu bedenken:

Beide Hinweise erscheinen in der extrem verkürzten Form missverständlich und in Hinblick auf eine anzustrebende differenzierte Auseinandersetzung problematisch.

 

Zu a) „grundgesetzwidriges“ Verhalten.

 

Dazu muss zunächst berücksichtigt werden, dass es in Bezug auf Sprache (vom Teilbereich der Rechtschreibung ausgenommen) im deutschen Sprachbereich keine gesetzlich „legitimierte“ Institution gibt, die über deren Erhalt bzw. Weiterentwicklung zu bestimmen hätte, im Unterschied etwa zur Académie française in Frankreich. Dies bleibt einem sich herauszubildenden gesellschaftlichen Konsens überlassen. Und die neue Leitung des „Duden“ hat, wie Sie wissen, dessen Reputation, gegründet auf Jahrzehnte lange Beschränkung auf Deskription, (zumindest in der Online-Ausgabe) mutwillig zerstört und sich zum Kampforgan der Gendern-Bewegung entwickelt.

Unter solchen Voraussetzungen zielt eine legalistische Argumentation ins Leere. Und wenn, dann kann sie nur angewendet werden in Bezug auf bestimmte Bereiche, bei denen staatliche bzw. gesellschaftliche Vorgaben in der Tat eine Rolle spielen, wie vor allem in Schulen oder Universitäten, in ähnlicher Weise bei öffentlich-rechtlichen Medien, die in gesellschaftlichem Auftrag agieren. Dementsprechend habe ich in meinem Essay „Gendern in Kriegszeiten (Abschnitt 5, „Gendern und demokratische Defizite in Medien und öffentlichem Diskurs“, S. 13-15) zwischen drei unterschiedlichen Bereichen unterschieden.

Eine solche Eingrenzung der Problematik auf den öffentlichen Bereich wäre auch bei der Begründung zur Petition vorzunehmen. Eine globale Aussage bez. Gendern ist hier nicht zielführend und kommt den Versuchen zu gezielter Polarisierung entgegen.

 

Zu b) Verletzung der „Menschenwürde“

 

Prinzipiell ist ein Hinweis in dieser Richtung, etwa als Verletzung der „informationellen Selbstbestimmung“ durchaus korrekt. Doch bei der Behauptung der Verletzung der „Menschenwürde“ bedarf es einer sehr präzisen Argumentation.

So ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich auch die Gegenseite eben darauf beruft und sich zu der Behauptung versteigt, Gendern sei ein „Menschenrecht“. In meinen Augen (als langjähriger Mitarbeiter von AI) eine Provokation gegenüber Menschen, denen Menschenrechte tatsächlich vorenthalten werden.

Der schein-logische Zusammenhang dieser diffusen Behauptung ist klar erkennbar:

Er steckt schon in der perfiden Behauptung eines „Rechts auf Sichtbarkeit“. Wobei aus dem oben angeführten Zitat von Anatol Stefanowitsch erkennbar wird, dass er sich anmaßt, darüber zu entscheiden, wer zur „Sichtbarmachung“ gezwungen werden darf.

Dennoch ist Sorgfalt zu walten und zu überprüfen, ob es hilfreich ist, dem lediglich die entgegengesetzte juristische Position gegenüberzustellen und damit die gesamte Problematik auf die juristische Ebene zu verschieben. 

Hierbei könnte man sich auf Art. 2 der Menschenrechtserklärung der UN, dem Diskriminierungsverbot beziehen. Da heißt es: „Niemand darf benachteiligt und in seinen Menschenrechte eingeschränkt werden wegen seines Geschlechts, seiner Hautfarbe, Religion, seiner nationalen Zugehörigkeit, politischen Überzeugung, seines Besitzes oder anderer Unterschiede.“

 

Es bedarf aber immer noch eines Nachweises, dass mit der „Sichtbarmachung“ auch tatsächlich eine Einschränkung dieser Rechte verbunden ist.

Meines Erachtens ist der Hinweis auf „informationelle Selbstbestimmung“ deutlich präziser und völlig ausreichend. Und ich plädiere dafür, den diffusen Hinweis auf „Menschenrechte“ fallen zu lassen, der zudem als ziemlich aufgeblasen verstanden werden kann.

 

 

Insgesamt plädiere ich dazu, deutlich zu machen, dass es sich hier nur in Teilbereichen um eine juristische Frage handelt, im Kern aber um einen – langfristig  angelegten – Prozess demokratischer Willensbildung der gesamten Sprachgemeinschaft (zu der auch Österreich, Teile der Schweiz und Luxemburg gehören), bei dem niemandem Sonderrechte zukommen, auch nicht bestimmten Hochschuldozenten oder Fernsehgewaltigen. In diesem Zusammenhang trifft der Hinweis auf „undemokratisches“ Verhalten ins Schwarze.

 

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns viel Erfolg bei unserem gemeinsamen Anliegen.

 

Mit demokratischen Grüßen

Werner Engelmann

 

 

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