Werner Engelmann
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6) Gendern im Journalismus

 

 

6.  Gendern im Journalismus:

     Zum Problem der Trennung von Nachricht und Meinung

 

 

 

Der folgende Abschnitt lenkt den Fokus auf die Printmedien, welche sich der Gendern-Praxis verschrieben haben, so die renommierte Frankfurter Rundschau.

 

    Wer regelmäßig die Kommentarspalten dieser historisch verdienstvollen liberalen Zeitung liest, dem fällt die zunehmende Kritik von Lesern (beiderlei Geschlechts) auf, weniger in inhaltlicher Hinsicht als an Sprachstil und journalistischer Praxis. Unabhängig von der Frage des Genderns wird, durchaus zurecht, mangelnde journalistische Sorgfalt und Überhandnehmen sprachlicher Fehler beklagt. Darüber hinaus geht es aber auch um eine journalistische Grundregel: die Trennung von Nachricht und Kommentar.

 

Und solche Kritik kommt keineswegs allein von „rechter“ Seite, der man unterstellen könnte, dass ihr die ganze Richtung „nicht passt“. Sie erfolgt auch von Lesern und Leserinnen (so dem Autor dieses Essays), welche die liberalen Traditionen dieser Zeitung, die Grundprinzipien ihrer verdienstvollen Vorgänger wie Karl-Hermann Flach oder Karl Gerold kennen und schätzen.

 

    Die letzte Diskussion zur Gendern-Thematik fand in dieser Zeitung im Dezember 2021 statt, mit eindeutig überwiegender, fachlich fundierter Kritik an der Gendern-Praxis. 23

    Dies freilich ohne Ergebnis. Im Gegenteil: Schematisches Gendern hat seither zugenommen, ebenso die Zahl an Rechtschreib- und Grammatik-Fehlern. Zugleich ist keinerlei Bereitschaft mehr zu erkennen, sich auf eine Diskussion über die Ursachen einzulassen.

 

    Was also steht hinter der genannten Kritik, die nicht mehr zu übersehen und zu leugnen ist?

Um dem Zusammenhang mit dem Problem des Genderns auf die Spur zu kommen, bedarf es zunächst einer linguistischen Klärung.

Nun haben angehende Journalisten oder Journalistinnen zwangsläufig eine germanistische Ausbildung hinter sich. Sie sollten also die Grundfunktionen der Sprache nach dem Bühler-Modell kennen, als da sind „Ausdruck“, „Appell“ und „Darstellung“.

 

 

„Ausdruck“ findet seine archetypische Verwendung in Ich-Romanen (so Goethes „Werther“) oder in Lyrik. Hier wird versucht, subjektive Empfindungen des „Ich“ zu vermitteln.

 

„Appellativ“ sind Formen der Rede, insbesondere im politischen Bereich. Sie sprechen Hörer gezielt an, im Bestreben, sie zu überzeugen oder zu einem bestimmten Verhalten zu überreden. Gelegentlich können auch Zeitungskommentare sich der appellativen Grundfunktion bedienen.

 

„Darstellenden“ Charakter haben z.B. Zeitungsberichte - oder sollten sie haben. Sie sprechen niemanden an, ihre Funktion ist, sachlich und präzise über wirkliches Geschehen zu berichten. Sie machen die mit großem Abstand wichtigste Aufgabe journalistischer Tätigkeit aus.

 

Die althergebrachte Tugend des seriösen Journalismus, „Trennung von Nachricht und Kommentar“ resp. Meinung beruht also darauf, sich bei Nachrichten streng auf die sachliche Darstellung des Geschehens zu beschränken, sich jeglicher appellativer Sprachelemente zu enthalten und diese ausschließlich in Meinungsspalten zu verwenden.

 

Die Gendern-Ideologie aber kennt nichts anderes als appellatives Sprechen und Schreiben. Sie kultiviert dies geradezu: Was immer gesagt oder geschrieben wird, hat Appell-Charakter anzunehmen. Und dies ist alleiniges Kriterium für das, was sie „gendersensibles Sprechen“ nennt. Sie fordert - expressis verbis und unabhängig von der Sprechsituation - Ansprache der Leser und vor allem Leserinnen.

 

 

Gleichgültig, ob Nachricht oder Kommentar, die journalistische „Botschaft“ habe immer und überall (ob zurecht, sei dahingestellt) vor allem Leserinnen das Gefühl zu vermitteln, gemeint und nicht „als Frau nur mit-gemeint“ zu sein. Nach der Gendern-Promotorin Luise Pusch ist solch subjektives Sich-betroffen-Fühlen der alles entscheidende Maßstab für jegliches Sprechen. Und es ist Anlass für sie, der deutschen Sprache „als Männersprache“ den Krieg zu erklären.  24

 

Es liegt also in der Natur der Sache, wenn Klagen über Verletzung der journalistischen Grundregel von Nachricht und Kommentar zunehmen. Denn Gendern versieht jegliches Sprechen und Schreiben mit einem polarisierenden Subtext sexistischer Art. 25

Sachliche Darstellung wird unmöglich, was für die journalistische Praxis verheerend ist:

 

Seriöser Journalismus und Gendern-Praxis sind schlicht unvereinbar. Sie in Übereinstimmung bringen zu wollen, das verhält sich wie die Quadratur des Kreises.

 

Diese Einschätzung der Gendern-Ideologie und ihrer Folgen für den Journalismus sei am Beispiel eines Berichts über den amerikanischen Wahlkampf erläutert.

 

Konkret geht es dabei um Hetze des von Trump unterstützten republikanischen Kandidaten Herschel Walker in der Stichwahl für den Senatssitz in Georgia. Hier zeigt sich, in welchem Maße die Gendern-Debatte ein gefundenes Fressen für demagogische rechtsradikale Politiker darstellt, um Feindbilder im Innern zu erzeugen und so das Fehlen eines überzeugenden politischen Programms zu kompensieren.    

Vorausgegangen war ein Hassverbrechen gegen Angehörige der LGBTQ-Gemeinde in Colorado Springs. Herschel Walker benutzt dies zu primitiver Hetze: „Pronomen. Was zur Hölle ist ein Pronomen? Ich kann Ihnen sagen, Granaten wissen nichts über Pronomen. Kugeln wissen nichts über Pronomen. Aber sie (die LGBTQ-Gemeinde) reden über Pronomen.“

 

Und der Bericht eines erfahrenen Journalisten der FR fährt, Walker zitierend, mit einem völlig verkorksten Satz fort:

„Statt also über gendergerechte Sprache zu diskutieren, sollten die Soldat:innen lieber ‚Liegestütze und Sit-ups. Ich mache immer noch Liegestütze und Sit-ups. Das müssen sie machen, nicht Pronomen!‘" 26

 

„Berichte“ wie dieser finden sich zahllos in einer durchaus als seriös anerkannten Zeitung wie der FR. Sie stellen eine feste Verbindung her zwischen Hetze, menschenverachtendem Denken und Gendern-Kritik. Sie schaffen, nach „neudeutscher“ Terminologie, ein perfides „Framing“, indem sie neben dem eigentlichen Inhalt der Nachricht im Subtext eine weitere, doppelte „Botschaft“ vermitteln.

 Sie präsentieren Gendern-Kritiker, in Gestalt bösartiger Hetzer, als „Täter“ und Gendern-Fans als Dauer-„Opfer“. So wird Kritikern an der Gendern-Praxis suggestiv das Attribut von Frauenverächtern zugewiesen - ein klassisches Beispiel aus dem Instrumentenkasten von Demagogen. 27

 

Dies ist aber nicht allein Praxis eines einzelnen Journalisten, sondern der Gendern-Ideologie generell immanent. Schon der von Gendern-Promotoren verbreitete Euphemismus, der „gendergerechtes“ Sprechen sich selbst zuschreibt, enthält implizit die perfide Diskreditierung von Kritikern, die danach - per definitionem - sich „ungerecht“ verhalten müssen.   

 

 

 

So bleibt noch die Frage, inwiefern Gendern-Praxis sich mit liberalem Selbstverständnis einer Zeitung verträgt.

Um die Antwort vorwegzunehmen: Sie sind nicht miteinander vereinbar.

           

            Der zitierte Artikel, der für viele steht, macht deutlich: Zwanghaftes Bemühen, Gendern-Praxis zu verteidigen, führt zu einem „Framing“, das Diffamation ihrer Gegner beinhaltet.

 

 

Die Frage, was denn die Haltung zur Gendern-Frage mit der politischen Position zu tun habe, taucht schon gar nicht mehr auf. Dass Gendern eine „linke“ Position beinhalte und die Gegner dementsprechend als „rechts“ zu orten seien, wird einfach behauptet und unhinterfragt als „Faktum“ vermittelt.

Und wer der Gendern-Praxis widerspricht, der wird im Spiegel von Gendern-Fans zur Karikatur seiner selbst.

           

    Aufschlussreich ist, in welchem Maß Gendern-Fans auf „Berichte“ über ihre „Gegner“ fixiert sind.

 Sie bedürfen dieses Feindbilds. Sie lassen sich von diesen die Methode diktieren.

Und auf plumpe Aussagen wird in gleicher Weise reagiert. Der krasse Widerspruch zum eigenen Selbstbild wird nicht mehr wahrgenommen. Die elitäre Grundhaltung verhindert dies.

 

 

Fazit:

Für Gendern-Fans existiert die Kategorie distanziert-sachlicher Berichterstattung gar nicht mehr: Das Merkmal für seriösen Journalismus, Trennung von Nachricht und Meinung, hat eine unreflektierte Praxis aus dem Bewusstsein gelöscht. 

 

Zur Ideologie verkommen, wirkt Gendern in der Praxis wie ein Filter: Es verhindert Zweifel, lässt sachlich-differenzierte Wahrnehmung und Vermittlung der Realität nicht mehr zu.

 

Solche Polarisierung wirkt sich auf den gesellschaftlichen Diskurs verheerend aus.

 

Welche politische Einschätzung für die Gendern-Bewegung aus der hier aufgezeigten Polarisierung folgt, das wird im 11. Abschnitt behandelt.

Und der 12. und letzte Abschnitt widmet sich der Schlussfolgerung daraus für Zeiten existentieller Krisen.

 

 

 

 

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23  https://www.fr.de/meinung/kommentare/richard-david-precht-gendern-philosoph-dieter-nuhr-whataboutism-antifeminismus-91196619.html#idAnchComments

   

24 „Das Deutsche als Männersprache“, (S. 11)

     In ihrem Traktat führt Luise Pusch unter anderem ihre Gemeinde tief in den Bereich der Pathologie und verlässt so den Rahmen einer sinnvollen rationalen Auseinandersetzung. Sie beabsichtigt eine „Großaktion ‚Rettet das Femininum‘“ und benennt sogleich ihre Strategie: „Wie lässt es (das Femininum) sich am besten retten, wiederbeleben und weithin verbreiten? Natürlich durch eine gezielte Allergie gegen das Maskulinum.“

Etwas später (S. 38), im Pluralis Majestatis, der ihr erlaubt, sich selbst als Verkörperung der Frauen schlechthin zu gebärden, führt sie aus: „Wir wollen angesprochen und explizit benannt werden, um sicher gehen zu können, dass auch an uns gedacht wurde.“

Diese Sammlung von „Aufsätzen“ wurde zwischen 1980 und 1984 verfasst, zu einer Zeit der Gegenreaktionen auf die Studentenbewegung, die sich in eine Vielzahl sektenähnlicher Gruppierungen aufspalten hatte. Ihr sektiererischer Geist, verbunden mit messianischem Anspruch, ist an vielen Stellen dieses Traktats zu erkennen.

 

 

25 Nele Pollatschek spricht von „aufgezwungenem sprachlichem Dauerfrausein" und fasst zusammen: "Gendern ist eine sexistische Praxis, deren Ziel es ist, Sexismus zu bekämpfen." 30.8.2020 - Vgl. Fußnote 7.

 

Diese sexistische Praxis, die als Anti-Sexismus auftritt, erklärt vielleicht, wie Luise Puschs „Das Deutsche als Männersprache“  37 Jahre später (die 2. Auflage erfolgte 2017) eine Renaissance erfahren und Denk- und Sprechweisen, besonders im universitären Bereich, prägen konnte. Bei rational geführter Auseinandersetzung würde es eher abschreckende Wirkung entfalten.

    Dies aber wäre Gegenstand einer sozialpsychologischen Untersuchung, die natürlich auch das Wirken neuer Gendern-Gurus wie Anatol Stefanowitsch zu berücksichtigen hätte. Der spricht von einem "bahnbrechenden Aufsatz von Luise Pusch", obwohl er als Linguist erkennen müsste, dass ihre höchst verallgemeinernden Schlussfolgerungen auf zahllosen Extrapolationen und Ausflügen in außerlinguistische Bereiche beruhen, die linguistisch nicht vertretbar sind.           

(https://www.tagesspiegel.de/wissen/warum-sprachwandel-notwendig-ist-der-professor-die-professor-das-professor/26155414.html, 3.9.2020

 

 

26  https://www.fr.de/politik/colorado-springs-usa-anschlag-lgbtq-bar-herschel-walker-transgender-midterms-stichwahl-91931082.html, 22.11.20

 

27  Die demagogische Regie des Gendern-Gurus Anatol Stefanowitsch, spätestens seit 2019 intoniert und seinen Gendern-Fans regelmäßig eingehämmert, ist hier deutlich zu erkennen. Vgl. Fußnote 5.

 

 

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